Hello, Dolly!

Hello, Dolly!

  • Genre Musical
  • Bühne Musikbűhne
  • Premiere6. Februar 2010
  • Vorstellungsdauer2:45 hod.
  • Anzahl der Wiederaufführungen58
  • Derniére26. Januar 2015

Ausstattungsmusical

Das Stadttheater Brno fühlt sich natürlich verpflichtet, außer seiner systematischen Bestrebung, die Titel in Weltpremieren sowie tschechischen Premieren auszuführen, auch die Titel aus dem sog. „goldenen Fond des Musik- und Musicaltheaters“ vorzustellen. Zu diesen gehört zweifellos auch das Werk des Komponisten Jerry Herman und des Librettisten und Texters Michael Stewart, Musical mit dem wirklichen Weltnamen – Hello, Dolly! Das Werk, das nach seiner New Yorker Premiere im Jahre 1964 einen Welterfolg erlebte, ist eine geniale Bearbeitung des Theaterstücks von Thornton Wilder „Die Heiratsvermittlerin“, die auf der wahnsinnigen Komödie von Johann Nepomuk Nestroy „Einen Jux will er sich machen“ basiert, die dann auf den witzigen Einakter von John Oxenford „A Day Well Spent“ zurückgeht (die Genese des Themas war also etwas komplizierter, es handelt sich doch um ein so aufregendes Thema!).

Wer dieses Musical nicht kennt, dem erinnern wir: Es handelt sich um die Geschichte einer unternehmenden Heiratsvermittlerin Dolly Levi, die sich doch jenen besten Kunden für sich selbst lässt und der es mit dem Zauber ihrer Persönlichkeit gelingt, den Junggesellen Horace Vandergelder auch gegen seinen Willen in einen galanten und liebenden Mann umzuwandeln. Das Zentrallied wurde unzählig Mal aufgenommen, aber der Schlager wurde es erst dank der eigenartigen heiseren Stimme von Louis Armstrong. Die Filmbearbeitung brachte dann dem Musical den unsterblichen Ruhm, als der weltberühmte Tänzer, Choreograf und Regisseur Gene Kelly im Jahre 1969 den Film mit Barbara Streisand und Walter Matthau in  den Hauptrollen drehte. Seit seiner Premiere wurde dieses Musical an Broadway bis zu 1970 gespielt und erreichte die phantastische Reprisennummer: 2844.

Autor

  • Jerry Herman
  • Michael Stewart

Regieassistent

Übersetzung

  • Ivo Osolsobě
  • Alexander Kozák

Kostüme

  • Roman Šolc

Bühne

  • Martin Černý

Musikeinstudierung

Chorleiter

Choreographie

Choreographieassistent

Ambrosius Kemper

Kornelius Hackel, hlavní příručí

Barnabáš Tucker, příručí

Irena Molloyová

Minnie

Ernestina Moneyová

Paní Roseová

Pikolík

Strážník

Hlas soudce

Lebe wohl, Operettenklischee!

Patrik Fridrichovský 9. März 2010 zdroj Theaterzeitung

Die „Brünner Musicaltraumfabrik“ verwöhnte ihre Zuschauer mit Den Elenden, Evita und Frühlings Erwachen. In dieser Konkurrenz kann die neueste Inszenierung Hello, Dolly! scheinen, nur eine weniger effektive, ältere Verwandte zu sein. Doch, auch wenn kein Zuschauer nach diesem Musical mehr sehnen würde und kein anderes Musical während der nächsten hundert Jahre geschrieben wäre, wird die Kupplerin Dolly eine der meist strahlenden Stars für immer bleiben. Sie stärkte den mehr traditionellen Teil des Repertoires, das im Stadttheater Brno – im Unterschied zu den heißen Musicalneuheiten – in den Bereich des Ensembles mit den Singspielwurzeln gehört. Der künstlerische Direktor Igor Ondříček arbeitet bei den klassischen Titeln mit dem Regisseur Gustav Skála (im Stadttheater Brno z.B. Orpheus in der Unterwelt oder Mam’zelle Nitouche) schon lange zusammen. Ihr Ziel war wahrscheinlich eine traditionelle Inszenierung aufzuführen, welche die Qualität des Ensembles bewiesen würde, des Ensembles, das sich schon auch mit anspruchvollen Aufgaben abfinden kann.
Als Ganzes gesehen, ist die Inszenierung nichts Kleineres als ein ziseliertes Stück der Handwerksqualität. Insbesondere dort, wo die Regie mit Chornummern arbeitet, ist die echte Kraft des Brünners Ensembles zu sehen. Jedes Mal, wenn ich in den letzten Jahren dieses Musical bei uns besuchte, war eine zu viel müde Chor-Operetten-Routine bemerkbar. Die Company in Brno verwendet doch – im echten Sinne des Wortes – die Musicalsprache der heutigen Zeit – individuelle Charakterisierung von kleinen Chorgestalten, aber dabei einheitliche und abgestimmte Massenszenen. Manchmal erwisch ich mich selbst, dass ich diese „Bilder“ mit den typischen Inszenierungen alla Macintosh aus dem Londoner West End als mit der tschechischen Realität unterbewusst vergleiche. Darüber hinaus noch die einfache Szene von Martin Černý, aber vor allem wieder (!) die ausgezeichneten Kostüme von Roman Šolc. Es war also das Lob in höchstem Maße bemessen.
Für das Musical dieses Typs sind doch mehrere Sachen sehr wichtig: die erste Aufgabe ist, über gute Musikeinstudierung zu verfügen. Der Dirigent Jiří Petrdlík sollte, in der sonst solider Aufführung, dem Klang des Orchesters einen größeren Glanz verleihen und vor allem den „Schmiss“ der Blechpassagen verbessern. Jene zweite, vielmehr schwierigere Aufgabe ist, gute Darsteller von Dolly und Horace zu finden. Hier brach der Regisseur Gustav Skála die üblichen Gewohnheiten und besetzte die um einige Jahre jüngeren Schauspieler, als es bei uns gewöhnlich ist. Die Wahl von Alena Antalová für die Titelgestalt hängt dann damit zusammen, dass Dolly Levi hier keine ausdrücklich komödielle Gestalt ist. Antalová charakterisiert die wortreiche Kupplerin durch die Mittel, welche weniger demonstrativ und aus sängerischer und schauspielerischer Sicht mehr intim sind, und zwar mit einer Dose des noch verträglichen Sentiments. Mehrere Felsenriffen in der Form von kleinen schauspielerischen „Subgenretechniken“, wie z.B. witzige Monologe mit dem Verstorbenen Efraim, welche nach der Tradition der angelsächsischen „Stand up Comedy“ geschrieben sind, klingen subtil und nicht so marktschreierisch aus, wie sie in diesem Musical mehr aus Gewohnheit als aus der Logik der Geschichte gespielt werden. Die neue Interpretierung ruft eher eine Welle von zarten Rührungen als das Lachen aus. Igor Ondříček in der Gestalt von Horace Vandergelder bekam eine vielmehr schwierigere Aufgabe, eine ausgesprochene schauspielerische Gegenaufgabe. Der durch das Leben erbitterte Horace verwandelt sich in seiner Darbietung eher in einen egoistischen Dandy, natürlich ohne jedes Verständnis für die Verschwendungssucht und Auswüchse von anderen. 
Die Quellwasser der Inszenierung sind vor allem die Auftritte der Gestalten von Barnaby (Vojtěch Blahuta) und Cornelius (Aleš Slanina). Bei ihrer komischen Reise nach dem famosen Walfisch in die große New Yorker Welt, welche im Salon von Irene Molloy – schauspielerisch sympathische Ivana Skálová – endet, drängt sich in das Musical das Stil der Situationskomödien nach den verwirrten französischen Filmen sehr unerwartet durch. Die Gags, die mehrmals an der Kante stehen, werden wirklich witzig gespielt, und gerade in diesen Momenten hat das Musical das beste Tempo. Der Temporhythmus der Inszenierung ist überraschend ein „Musical-Schauspielrhythmus“. Der Gipfel ist doch gewöhnlich, wie sonst, das feierliche, oft bis selbstzweckmäßige Entree von Dolly im Restaurant Harmonia Garden. 
Gerade in den Interpretierungsverschiebungen vom Operettenklischee zum Komödienrhythmus besteht wahrscheinlich ein der größten Beiträge der Inszenierung. Wie es schon gesagt wurde, Hello, Dolly! in Brno ist ganz sicher Etwas, was für ein angenehmes Musicalstandard für den verwöhnten Zuschauer gehalten sein kann (und letztendlich, dieser wurde während der Jahre in Brno erzogen). Die Autoren wissen sehr gut, was zum Genre heute gehört – und sie können es sich mit dem so gut „ausgestatteten“ und erzogenen Ensemble erlauben.  
                                                                  

„Hello, Dolly!“ in Brno – Musicalklassik in einem sehr unterhaltenden Gewand

Ondřej Doubrava 17. Februar 2010 zdroj musical.cz

Die regelmäßigen Besucher des Stadttheaters Brno verbinden sich sicher den Namen von Gustav Skála mit der Regieführung der unwiderstehlichen Komödien („Der Floh im Ohr“, „Charleys Tante“) und mit den einzigartigen und trotzdem einfach verständlichen Bearbeitungen der klassischen Operetten „Orpheus in der Unterwelt“ und  Mam’zelle Nitouche“. Er wusste nämlich, fast alle Generationen mit ihnen anzusprechen. Mit „Dolly“ begegnete er sich schon mehrmals.
Es ist zu sagen, dass seine „Hello, Dolly!“ im Stadttheater Brno eine imaginäre (doch riesige) Eins im Gegenstand „Arbeit mit Schauspielern“ bekam. Die versprochene, gute dramatische Basis (und darüber hinaus auch reine Komödiebasis) erntete ihre Früchte und das Gewirr der Beziehungen unter den Gestalten, wie es im Libretto festgesetzt ist, wurde so - trotz der dauernden Naivität - anziehend. Wenn man dazu noch Sinn für Groteske und Kapriolen und ein Paar gute kreative Einfälle (z.B. Silhouette des Richters mit der Stimme von Zdeněk Junák) zugibt, dann gewann der Zuschauer das Spiel. Es stimmt zwar, dass einige witzige Situationen zu viel lang sind, aber neunundneunzig Prozent der Zuschauer werden diese intensiven Witze gern annehmen.
Der Titel war schon von seiner Anmeldung wie der „Comeback“ von Alena Antalová nach ihren Mutterpflichten auf die Bühne genommen. Sie verlieh ihrer allgegenwärtigen Dolly eine beträchtliche Dosis Energie, Selbstbewusstsein sowie Obenansicht und das Ergebnis ist, dass der Zuschauer der Hauptgestalt in frohen sowie ergreifenden Situationen ihr jedes Wort glaubt. Verzeihung, nicht nur, dass er glaubt, er hängt ihr mit den Augen auf dem Mund.
Erwähnen wir doch auch die anderen, zum Beispiel Horace Vandergelder. Seine Gestalt sollte ein unangenehmer Murrkopf sein, aber in der einzigartigen und wirklich ausgezeichneten Darbietung von Igor Ondříček klingt er ganz anders aus. Im Grunde genommen ist er ein äußerst sympathischer Kerl, mit dem sich vor allem der männliche Teil des Publikums unwirklich einfach identifiziert und manchmal seiner Verhandlung zulächelt, weil er sich selbst erkennt. 
Durchaus brillant ist die Leistung von Ivana Skálová in der Gestalt der einsamen Hutmacherin Irene Molloy. Auch wenn sie etwa jünger ist, als der vorgeschriebene Charakter, wusste sie ihn ganz genau auszudrücken, was den Gesang und die Schauspielkunst betrifft, und es galang ihr, den Altersunterschied einfach auszugleichen.
Ein gut gestimmtes Paar sind zwei bekannte Handelsgehilfen. Hackel wird von Aleš Slanina dargestellt. Dieser kann dank seiner Allseitigkeit in allen notwendigen Bestanteilen als das Zugtier der ganzen Vorstellung (neben Alena Antalová) bezeichnet sein und seine Auffassung sowie seine Interpretation der berühmten Hits “Put On Your Sunday Clothes“ und „It Only Takes A Moment“ haben alles, was dazu gehört – Eleganz, Erlebnis, Energie und Freude aus Spielen. Was Vojtěch Blahuta betrifft, diesem passt der ziemlich naive Barnaby Tucker sehr gut; in Gagsituationen verliert er sich wirklich nicht, er weiß sogar, die Zuschauer zu den vorbreiteten Titeln des Theaters zu locken....
In einer kleinen, dank ihrer Ausgelassenheit doch bedeutenden Rolle Irenes Freundin Minnie strahlt Mária Lalková. Und wenn man will, einen Lachanfall bei den Zuschauen auszurufen, es genügt nur, einen Dynamit – Zdena Herfortová in der Rolle der wahnsinnigen Ernestina Money – auf die Bühne zu senden; und der Zuschauerraum wird wahnsinnig!
Zurück zu den „Mantinellen“ der Inszenierung: jenes markanteste ist vielleicht die Szene von Martin Černý, welche vielleicht das traditionelle Stil zu viel respektiert. Der Durchblick in die Straßen von New York wird von der Stilchoreographie der Company (aus der Werkstatt des Regisseurs) ausgefüllt, Horaces Laden ist praktisch und gemütlich wie auch das rosarote Hutgeschäft von Irene; das berühmte Restaurant Harmonia Garden würde sich doch in dieser Version mindestens ein bisschen modernere Bearbeitung – sog. „Look“ – sicher verdienen. Die Kostüme von Roman Šolc vermissen die Prahlsucht wegen schönem Ansehen wieder nicht, aber diesmal fehlt (insbesondere bei Herren) nicht einmal einen gewissen Schmiss. Und die Musikeinstudierung? Bei Jiří Petrdlík (und Dan Kalousek) kann man nichts anders tun als wieder sagen, dass sie die anspruchvollen Partituren wieder ausgezeichnet bewältigen und die Inszenierung wird ab und zu einer wirklichen Swinginszenierung.  
Auch der äußerst gelungene „kleine“ Programmdruck zur Inszenierung verdient, mindestens kurz erwähnt zu sein. Klein ist er nur, was seine Abmessungen betrifft; er enthält eine Menge von interessanten Informationen, welche die Entstehung von „Dolly“ und auch die Entwicklung des klassischen Musicals sowie die Geschichte das Inszenieren dieses Stücks auf seine Weise rekapituliert.
Die vorigen Zeilen können aber sehr einfach in eine Paraphrase des berühmtestes Lieds verkürzt sein: Man scheint, dass Dolly Levi die Bühne des Stadttheaters Brno wirklich noch lange nicht verlassen wird, weil es sich um eine lebendige, für Zuschauer sehr attraktive Vorstellung handelt, ohne dass wir in ihr Zeichen der Unterbietung finden. Sie sollte auch denjenigen gefallen, bei denen dieses Stück bisher noch nicht beliebt war und insbesondere diese Tatsache ist auf dieser Inszenierung wertvoll. Kurz gesagt, sie wird auch die Aufmerksamkeit der neuen Zuschauer wecken. 
                                                                        

Dolly in Brno, auf die neue und auch auf die alte Weise

Luboš Mareček 8. Februar 2010 zdroj MF Dnes

Regisseur Gustav Skála demonstrierte, dass das berühmte Musical kein verstaubtes Stück ist
Dolly von Skála fand ein ausgewogenes Verhältnis in allen ihren Bestandteilen. Anders gesagt – die neue Inszenierung in Brno ist solid, was die schauspielerischen Leistungen betrifft, sie ist souverän im Gesang und auch die Geschwindigkeit der Musikeinstudierung entspricht der Geschwindigkeit der choreographischen Nummern. Und das Auge des Zuschauers wird hier selbstverständlich von wunderschönen Kostümen von Roman Šolc und von der Szene von Martin Černý erwartet; diese kann als abwechselnd einfach und effektvoll charakterisiert sein. Die New Yorker Straßen scheinen aus den Zeitansichtskarten zu stammen, die erwartete Gipfelnummer aus dem Restaurant Harmonia Garden unterbreitet effektvollen Pomp in strahlenden grünlichen Vitragen.
 
Es ist vielleicht nicht erlaubt, diese Eleganz aus der altväterischen, durch den Jugendstil atmenden Grazie herauszureißen – bildnerisch oder zeitlich. Das Musical Hello, Dolly! steht und fällt mit der Leistung der Protagonistin. Und diese weibliche Hauptgestalt ist der Traum von allen reifen Schauspielerinnen und Sängerinnen. Brünner Dolly in der Darbietung von Alena Antalová ist noch nicht vierzig Jahre alt (erinnern wir, dass Streisand im unsterblichen Film etwa siebenundzwanzig Jahre alt war), aber es ist kein Schönheitsfleck. Antalová ist Dolly Levi, deren sängerische und schauspielerische Verve ein imaginärer Schutzschild darstellt, der verhindert, dass das Stück in einen ergreifenden Kitsch oder leeren Sentiment abrutscht. In ihrer nicht nachlassenden Bedachtsamkeit ist sie eine Frau, der die Zuschauer ihre innere Einsamkeit sowie Pfiffigkeit glauben, mit der sie ihren ausgewählten Horace Vandergeld übertrifft.

Dieser reiche Händler wird von Igor Ondříček nicht nur wegen Komödieneffekt wie ein beschränkter, heiratsgieriger Dummkopf dargestellt. Im Finale ändert er sich in einen gefühlvollen Witwer, der die Frau seines Herzens wieder finden will. Übrigens, das Thema des Witwenstandes und also der Einsamkeit – wie es auf der Bühne auch durch die Gestalt von Irene Molloy in ausgezeichneter Darbietung von Ivana Skálová präsentiert wird – wachst die Inszenierung fein durch. Es handelt sich hier um eine imaginäre Parallele mit der Komik der unerfahrenen Jugend in der Darbietung der zwei verrückt dargestellten Handelsgehilfen Hackel und Tucker (Jakub Przebinda und Vojtěch Blahuta).

Die neue Hello, Dolly in Brno ist gegenwärtig, auch wenn ihre Visualisierung auf alte Weise gemacht ist. Trotz dem Sentiment der vergangenen Zeit übertrag sie Freude aus dem Musiktheater an die Zuschauer, was sie modern, lebendig und anziehend gegenwärtig macht. 
                                                                                

Das auf dem soliden Schauspiel gebaute Musical

Michal Novák 7. Februar 2010 zdroj i-divadlo.cz

Die Einstudierung des Musicalphänomens mit dem Namen der berühmtesten Kupplerin im Titel ist auf der Musikbühne des Stadttheaters Brno schon die zweiundzwanzigste in der inländischen Inszenierungsgeschichte.
Die Beliebtheit bei den Zuschauern, bzw. der Betriebserfolg des Musicals Hello, Dolly!, scheint bei jeder Aufführung fast garantiert zu sein. Die dramaturgische Wette auf die Sicherheit lohnt sich meistens aus. Wo sind die Gründe dafür zu finden?
Ergreifende Geschichte über die Menschen, die beweisen, sich aus dem Staub ihres Lebensweg zu erheben und ihr Ziel zu verfolgen, wird den Zuschauern immer sehr nah stehen, weil sie in ihr vielleicht auch das Bild ihres eigenes Lebens sehen, eventuell daraus eine Hoffnung schöpfen können. Und nicht zuletzt gehört Hello, Dolly! in den Goldfond des klassischen Musicaltheaters und ist voll von unsterblichen Melodien, deren Genre die Zuschauer auf die aufregende Grenze zwischen Operette, Swing und Musicaltheater bringt. Der Zeitkontext des Themas bringt dann den Duft einer altväterischen Eleganz mit dem für den Zuschauer wunderschönen, sonder für das moderne Theater verräterischen Risiko, dass er in die Gefangennahme der sentimentalen Emotionen geriet. Die Frage muss deshalb lauten: kann Dolly auf eine andere Weise gemacht sein, kann man in dieses Stück etwas Persönliches bringen, was noch niemand versuchte, kann man im Thema sowie in der geradlinigen Struktur der Handlung etwas Neues finden?
Die Inszenierungstradition – und diese ist bei  Hello, Dolly! wirklich lang – wird immer zu Klischee hinneigen. Die Autoren der Inszenierung in Brno, Regisseur Gustav Skála mit den Dramaturgen Ondřej Šrámek und Jan Šotkovský, definieren doch keine neue Ausgangspunkte und wollen alle jene „Klischees“ rückhaltlos ausnutzen. Das Ergebnis des anscheinend nicht bahnbrechenden Konzepts ist deshalb ein interessantes retrospektives Stück, doch ohne verstaubte Ablagerungen der Manieren, die sich während mehrfacher Inszenierung dieses Stücks anhäuften und fast jedem in sein Unterbewusstsein gingen. Bei der Vorstellung fallen wir also in keine sentimentale Stimmung. Im Gegenteil – jedes Bild reißt die Zuschauer durch seine Auffassung, interessante Choreographie, feinen sowie energischen und auf die Pointe der komischen Situationen gelegten Nachdruck hin. Regisseur Gustav Skála und ausgezeichnete Protagonisten spenden die Freude aus dem Musiktheater in höchstem Maße.  Ein ähnlich freches Paradox des Konzepts (und gleichzeitig ein großes Plus der ganzen Inszenierung) ist, dass dieses Musical auch ein perfekt dargestelltes Schauspiel ist. Die innerlichen Durchsichte in die Schicksale der Gestalten bilden eine außergewöhnliche Plastizität der ganzen Vorstellung aus. Und so nur der visuellen Aspekt bleibt traditionell im guten Sinne des Wortes – man könnte sagen altmodisch, doch wunderschön. Handelt es sich um gemäßigte, doch pomphafte Evozierung einer New Yorker Straße wie „aus Zeitansichtskarten“ (Szene von Martin Černý) oder um wunderschöne Kostüme von Roman Šolc. Das bildnerische Konzept der Inszenierung kann man bei Dolly vielleicht nicht ausgerissen.
Trotzdem ist in der Inszenierung eine Besonderheit zu finden. Das ist die Explikation des „Alptraums“ von Horace Vandergelder, nachdem er in Harmonia Garden Radau schlug (wenn er wegen Umtausch der Geldtasche keine Zahlungsmittel hatte). Das traumhaft gestimmte Bild eines Gerichtsprozesses ändert sich in einen Austritt aus der Gefängniszelle, wohin Dolly wie eine Aufseherin kommt, um Good bye- Auf Wiedersehen im berühmten Lied So Long Dearie an Horace in Augen zu schleudern. Dass das Erlebnis aus dem Traum der Impuls zu Änderung Horaces Denkweise in der Beziehung zu Dolly ist, das ist nicht nötig zu bemerken. Der Austritt ist auch eine witzige Rückkehr aus der Welt des Luxus, den sich diese Leute mindestens manchmal gönnen, zum Menschentum der Alltage.
Wenn wir die Motive finden möchten, warum das Stadttheater mit seinen Musicalproduktionen eine Hoheitsposition mindestens im Rahmen unserer Republik besitzt, dann lautet eine Antwort, dass es hier als das Tabu gilt, die Ansprüche der Partitur zu ändern – das heißt, dass dem Orchester sowie den Interpreten hier nichts erleichtert wird. Durch die Verwendung der ursprünglichen Arrangements des Werks, welche durch ihre Anforderungen bekannt sind, wird es nur bestätigen. Diese Rückkehr zu den Wurzeln zeigt die berühmte Dolly ohne Verfälschung durch unterschiedlichste Transpositionen, welche während der Jahre bei ihr gemacht wurden. Sie können dann mit Überraschung feststellen, um wie viel mehr Musical als Operette sich in Hello, Dolly! versteckt und wie die gewöhnliche Zuneigung zu den Operettenschnörkeln diesem  Stück nicht passt. Sowie die falschen Gesten der durch ihren Charakter flachen Gestalten in farbiger szenischer Herrlichkeit.
In unserer Inszenierungstradition wurde die Gestalt von Dolly Levi gewöhnlich durch Schauspielerinnen im reifen Alter dargestellt, man sollte doch nicht vergessen, dass z.B. die Film-Dolly Barbara Streisand bei der Premiere der Film nur siebenundzwanzig Jahre alt war. Wie Regisseur Gustav Skála bemerkt, es ist möglich die Hauptgestalten mit Schauspielern im beliebigen Alter zu besetzen, die Muster des Librettos werden immer funktionieren. Es reicht nur, auf die Bühne eine schauspielerische Persönlichkeit zu bringen, auf deren Leistung das Musical Hello, Dolly! abhängen wird. Im Falle des Stadttheaters Brno war die Wahl ganz klar: Alena Antalová (Alternierung Ivana Vaňková). Dolly Levi in der Darbietung von Alena Antalová, für die diese große Rolle die Rückkehr nach ihren Mutterpflichten bedeutet, könnte mit vielen opulenten Attributen bezeichnet werden, z. B. „Dampfwalze der Bühne“. Gleichzeitig stehen wir einer Gestalt gegenüber, der wir ihre innerliche Einsamkeit glauben können. Die Verve, mit der Alena Antalová an ihre Rolle herangeht, scheint, die Tendenz der Geschichte sich in Sentiment (und Kitsch) zu verrennen, ständig abzubauen. Sie bringt eine selbstbewusste Frau auf die Bühne, die in einer kurzen Weile überall sein wird, wie auch ihre Geriebenheit, welche die Zuschauer in komischen sowie in jenen ernsteren Szenen unterhält. Ihr Gegenspieler, Handelsmann Horace Vandergelder in der Darbietung von Igor Ondříček, ist zuerst ein mustergültiger Tölpel, dann ein durch die Umstände entgleisteter Mann und zuletzt die glückliche Opfer im Netz von Dolly Levi. Für mich persönlich war es die absolut komischste Leistung des Abends, denn Igor Ondříček das sich aus den Situationen ergebenden Humor präsentiert, bei dem die Gestalt selbst nicht die Ursache der Komik ist. Die Individualität der Leistung von Ondříček negiert Horace - Murrkopf (wie diese Gestalt oft dargestellt wurde); im Gegenteil – sie verstärkt das Bild eines introvertierten Menschen, dessen Griesgrämigkeit nur ein Schutzgehäuse vor seiner eigenen Unsicherheit ist. Es ist so sehr wahrscheinlich, dass sich der bedeutende Teil des männlichen Publikums mit seinen Gefühlen oder Handlung einfach identifizieren kann. Zu der ähnlichen Interaktion mit dem Publikum steht auch die Gestalt der einsamen Hutmacherin Irene Molloy nahe. Ivana Skálová wusste sich mit der Rolle, deren Alter sie noch nicht erreichte, auf eine verblüffende Weise auseinanderzusetzen – sie war souverän in schauspielerischer Darstellung des Charmes dieser melancholischer Frau sowie in sängerischen Austritten.
Selbst das geniale Libretto hilft im Kampf gegen „übermäßige Verwendung der Taschentücher“ dadurch, dass es die ergreifende Seite des Stücks durch eine Reihe von Gestalten auswiegt, welche die Träger der direkten Komik sind. Zu den wörtlichen Gags kann man dann auch die Situationsgags einfach zugeben, insbesondere bei den bekannten Gestalten von zwei zerstreuten (und in der Liebe unerfahrenen) Handelsgehilfen Cornelius Hackel (Aleš Slanina) und Barnaby Tucker (Vojtěch Blahuta). Sie werden durch den ausgelassenen Charakter Irenes junger Freundin Minnie (Mária Lalková) ergänzt. Und wenn es für ihr Zwerchfell wenig wäre, kommt noch die blökende Kreatur Ernestina Money in der Darbietung von Zdena Herforová auf die Bühne. Die Lachenexplosion ist garantiert. Regisseur Gustav Skála zögert nicht, wenn es sich um einen guten Gag handelt, in diesem Sinne auch kleine Episodensituationen zu spielen. Für alle ist mindestens jene mit ungeschicktem Tapetenmacher zu nennen, der unmittelbar vor der Schlusspointe des ganzen Stücks ins Geschäft von Horace Vandergelder kommt. Durch ein Zusammentreffen von Umständen wird dieser Handwerker durch Aleš Slanina dargestellt, falls dieser an jenem Abend den Handelsgehilfe Hackel nicht darstellt. Die Besetzung von Aleš Slanina in jene „wichtigere Rolle“ zeigte wieder, was für ein allseitiges Talent dieser junger Schauspieler ist und wie er über die Fähigkeit verfügt, das Zugtier der Vorstellung sein (ganz natürlich neben der Hauptgestalt Dolly Levi). Seine perfekte Verbindung des Gesangs mit der Bewegung und mit der diesmal komödielen Schauspielkunst ist ein anderer Grundstein in der Mosaik, aus der der ganze Erfolg der Inszenierung zusammengesetzt wird.
Erwartungsgemäß entstand im Stadttheater Brno eine für die Zuschauer dankbare Musicalinszenierung, welche noch lange sicher beliebt bleibt. Es geschieh so ohne Konspiration mit Effekten, in den Grenzen der Tradition. Auch wenn Regisseur Skála ein modernes, lebendiges Theater schuf, fühlen wir hinter diesem die Atmosphäre der vergangenen Zeit. Ein einziger Konflikt kommt in den Momenten, wann die konsequente Bemühung um die volle szenographische Illusion aufhört, mit der abstrakten Form von einigen Szenen zu korrespondieren. Bei so vielen Pfeilern, auf denen diese Inszenierung steht, hängt es nur vom Zuschauer ab, von welchen er sich ansprechen lässt. Es kann die bildnerische „Emotion“ der vergangenen Zeit, die Arbeit mit der Miniaturgemälde der Charaktere der Gestalten, die blendenden Swingtöne des Musicals, das zu einer Legende wurde, die hinreißende Choreographie in der Darbietung der Kellner in Harmoia Garden, die schauspielerischen Leistungen, usw. sein. Ich persönlich wähle es aus, wie die Autoren die verfänglichen Stellen des Librettos zu Vorteilen des Stücks machten, wie sie die zeitlose Substanz des Werks in den Vordergrund ihres Interesses erheben und dadurch den heutigen Zuschauer unterwerfen. Der Zauber, der die erste Zuschauergeneration des Musicals Hello, Dolly! faszinierte, war im Stadttheater Brno nicht nur wieder entdeckt, sonder auch aus dem stehenden Wasser der tschechischen Inszenierungstradition zu dem modernen Musicaltheater übertragen. 
                                                                               

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