Becket oder die Ehre Gottes

Becket oder die Ehre Gottes

  • Genre Schauspiel
  • Bühne Schauspielbühne
  • Premiere22. Mai 2010
  • Vorstellungsdauer3:25 hod.
  • Anzahl der Wiederaufführungen32
  • Derniére21. April 2012

Historisches Drama über Suchen und Finden von sich selbst

Das berühmte Stück von Anouilh ist schon seit einem Halbjahrhundert der Schmuck der Weltbühnen und es will nicht veraltern. Vielleicht deswegen, dass es weise ist.  Dieses Drama mit dem Thema aus der englischen Historie (12. Jahrhundert) nutzt die Technik des „Theaters im Theater“ aus, um die aufregende Geschichte über Freundschaft und dann Rivalität zwischen dem König Heinrich II. Platagenet und seinem Kumpan, angelsächsischen Feudalherr Thomas Beckett zu evozieren. Dieser tanzt virtuos als ein Nobelkollaborateur „unter den Eiern“, nur um seine Privilegien zu bewahren: er ist jung, leichtsinnig, er will leben und sich amüsieren. Bis zum Augenblick, wann er vom König gezwungen ist, die Behörde des Erzbischofs von Canterbury, Haupt der Kirche in England, anzunehmen: „Ich war Mensch ohne Ehre und plötzlich habe ich die Ehre wieder gefunden, zerbrechlich und wie ein Kind verletzbar, Ehre Gottes. Und diese wurde auch meine Ehre.“ In normale Wörter übersetzt: Beckett findet die verlorene Würde und Ehrlichkeit zu sich selbst. Für diese Ehre opfert Beckett sein bequemes Leben, Vermögen, Freundschaft des Königs und schließlich auch das Leben. Im Drama, die sich durch Anouilhs elegante Fähigkeit, ein politisches Thema aufregend und mit Übertreibung, trockenem Humor und brillanter Konversationsglätte, die zwischen Witz und philosophischer Meditation, zwischen Tragik und Komik oszilliert, aufzufassen auszeichnet, leben die Themen der Revolte eines Individuums gegen etablierte Ordnung, der Einsamkeit eines Individuum inmitten den anderen, der Beziehung zwischen menschlichem Privatleben und Welt auf.

Autor

  • Jean Anouilh

Regieassistent

Übersetzung

  • Jiří Žák

Dramaturg

Bühne

  • Jože Logar

Bearbeitung

  • Janez Starina, Matic Starina, Jiří Záviš

szenische Projektion

  • Petr Hloušek

Tomáš Becket

Arcibiskup

Gilbert Foliot, biskup londýnský, První baron

Biskup oxfordský, Třetí baron

Biskup yorský, Druhý baron

Biskup herefordský, Čtvrtý baron

Ludvík, král francouzský

Královna

Královna matka

Gwendolina

Mladý mnich, Syn saského nuzáka

Kardinál Zambelli

Muž, saský nuzák

Nuzákova dcera, Francouzská milenka

Jindřich Mladík, králův syn

První páže, První strážný, První sluha, Voják, Vilém z Corbeil, Důstojník stráže, První mnich, Herold, První šašek, První francouzský baron, První námořník

Druhé páže, Druhý strážný, Druhý sluha, Seržant, Hugo ze Sandwiche, Mnich - posel, Druhý mnich, Richard de Lucy, Druhý šašek, Druhý francouzský baron, Druhý námořník

Královo dítě

Mnich, voják, šlechtic, žebrák

Der achte Anouilh im Stadttheater Brno

Vít Závodský 1. November 2010 zdroj KAM

Der produktive französische Schriftsteller Jean Anouilh, Autor von etwa vierzig Stücken, „Moliere des 20. Jahrhunderts genannt“ erscheint auf unseren Bühnen ziemlich oft. Es gilt auch über das Stadttheater Brno, das während seiner fünfundfünfzigen Existenz z.B. die Titel Antigone, Der Walzer der Toreros, Der Reisende ohne Gepäck, Romeo und Jeane oder Die Probe aufführte. Nach zwei Dekaden seit der ausgezeichneten Inszenierung von Milan Pásek (und nach sechs Jahren seit der Einstudierung von Srba im Nationaltheater) kehrte das berühmte, auch verfilmte Drama Becket oder Die Ehre Gottes (1958) in den Spielplan zurück, das vom Anouilh selbst auch als „Kostümdrama“ bezeichnet wurde und dessen tschechische Premiere in der Übersetzung von Milena und Josef Tomáškek im Jahre 1969 im Prager Nationaltheater stattfand.

Der mit der Shaw-Oberansicht brillant geschriebene Text schöpft (ohne Anspruch auf hundertprozentige faktographische Genauigkeit) aus der britischen Geschichte des 12. Jahrhunderts. Er wählt die attraktive Geschichte der widersprüchlichen Beziehung zwischen dem König Heinrich II. und dem angelsächsischen Edelmann Thomas Becket aus, der als der dem Herrscher ergebene Busenfreund auf seinen Befehlt zum energischen Kanzler und sogar asketischem Erzbischof von Canterbury unfreiwillig wird. Erst in dieser opferwillig ausgeübten Funktion findet er seine wirkliche Aufgabe (die Ehre Gottes wird auch zu seiner Ehre), so dass er direkt vor dem Altar meuchlings ermordet wird und danach offiziell zum Marterheiligen erklärt wird. Auch wenn der Dramatiker seine Aufmerksamkeit ganz natürlich der verworrenen zeitlichen politisch-gesellschaftlichen sowie kirchlichen Ebene widmet, interessiert er sich vor allem um die zeitlose menschliche Lage – Peripetien des Schicksalkonflikts von zwei widersprüchlichen Persönlichkeiten, von denen eine mit quälender innerlicher Einsamkeit und die zweite sogar mit ihrem Leben für den Abschied bezahlt. Er demonstriert also ein gewisses „Leid wegen Freundschaft“.

Der Dramaturg Jiří Záviš (der schuf, wie gewöhnlich, eine gründlich durchgearbeitete Programmbroschüre) wählte die ad hoc neu geschaffte Übersetzung des Prager Schauspielers Jiří Žák (er arbeitete bei unlängster Aufführung der Inszenierung Dinner für Spinner von Veber zusammen), die er von den streitigen Vulgarismen zwar nicht befreite, aber anders (in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur und seinem Sohn) bedeutend verkürzte. Auch so okkupierten diese vier Akte in dreiundzwanzig Bildern einen zweiteiligen, dreiundhalb Stunden dauernden Abend.  Zur Einstudierung wurde der slowenische Team eingeladen – allseitiger Theatermacher aus Ljubljana Janez Starina, der schon zweimal im Stadttheater Brno gastierte (Maratonci trče počasni krug, Ehe zum Quadrat), Bühnenbildner Jože Logar und Komponist Mirko Vuksanovič, während die Kostüme von der bewährten heimischen Kostümbildnerin Andrea Kučerová entworfen wurden. Aus der nicht beschreibenden, wenig beleuchteten Stufenkonstruktion mit Drahtgeflecht sind die meisten, vom Autor retrospektiv hervorgerufenen und mit Kreiskomposition verbundenen Gedankenkreisen, Themen und Motive schrittweise zu hören. Es scheint doch nicht, dass einige von diesen im Zentrum des Interesses des Regisseurs so viel liegen dass sich über diese deutliche Interpretationsauslegung des Ganzens stützen kann. Suggestiv sind eher die einzelnen Sequenzen (das letzte Treffen von beiden Gegnern auf einem frostkalten, windigen Flachland), während die anderen (Papstpalast in Rom, Szenen aus  der englischen kirchlichen Hierarchie sowie mit barbarischen Freiherren) von der vereinfachenden Schemen nicht weit sind.

Der Hauptvorteil der langen Einstudierung besteht so vor allem in einigen schauspielerischen Leistungen. Zusammen mit einigen anderen (lässig pragmatischer französischer König Ludwig in der Darbietung von Viktor Skála, voraussehender Alte, Erzbischof von Pavel Kunert, aufrichtig liebende Gwendolin in der Darbietung von Hana Holišová) stehen im zuverlässigen Zusammenspiel mit Sinn für Ambivalenz der Charaktere und ihrer gegenseitigen Verhältnisse die charismatischen Protagonisten, Laureaten von Theaterpreisen. Ansehnlicher egoistischer Heinrich in der Darbietung von Petr Štěpán, aus dessen Gesichtswinkel der Autor die Handlung schildert, ist eine nach außen dynamische Figur, zuerst verantwortungsloser, launischer Schwärmer und später innerlich ungesichere einsame Persönlichkeit. Einen anderen Entwicklungsbogen bietet die vom Autor mehr introvert und mehr existenziell konzipierte Gestalt von Thomas Becket, wo uns der ansehnliche Petr Gazdík in jede von drei Sujetphasen seines Initialierunswegs zu Selbsterkennung und fest verankerten Sicherheit anschauen lässt.

Diese weitere Premiere von Anouilh in Straße Lidická strotz vielleicht an keine außerordentliche eigenartige Auffassung der bekannten Vorlage, die wirkungsvollen Schlüsselkreationen werden doch das Publikum anlocken und verdienterweise fesseln.

Freundschaft in politischem Rädergetriebe

Vít Závodský 5. Oktober 2010 zdroj Týdeník Rozhlas

Nach zwanzig Jahren seit der ausgezeichneten Inszenierung von Milan Pásek kehrte ins Stadttheater Brno das berühmte Stück des fruchtbaren französischen Dramatikers Jean Anouilh Becket oder die Ehre Gottes (1958) zurück. Der belehrte Dramaturg Jiří Záviš bat den Prager Schauspieler und Romanistiker Jiří Žák um eine neue Übersetzung und zur Einstudierung ihrer verkürzten Bearbeitung lud er den Bühnenschaffenden Janez Starina aus Ljubljana und seine slowenischen bildnerischen sowie musikalischen Zusammenarbeiter ein.
Die behänd geschriebene, konversationsgestimmte und ebenso verfilmte Vorlage mit vielen flinken Paradoxen geht bei faktographischen Lizenzen von der englischen Geschichte des 12. Jahrhunderts aus, wann der zukünftige Heilige Thomas Becket direkt in der Kathedrale als Märtyrer getötet wurde; dieser als sächsischer Höfling und treuer Freund des Königs Heinrich II. Plantagenet absolvierte eine steile Karriere als Kumpan des Herrschers, Kanzler und Bischof von Canterbury. Mehr als um das Zeitgewirr von politischen und kirchlichen Intrigen interessiert sich der Dramatiker um die zeitlose Ebene dieser widerspruchsvollen Freundschaft von zwei gegensätzlichen Persönlichkeiten, um das Thema der Suche von sich selbst und der Findung der eigenen Würdigkeit in nachhaltiger Erfüllung einer überpersönlichen Aufgabe. Auf der verdunkelten, vertikal gegliederten Szene mit Drahtbespannungen werden diese Schlüsselmotive von dem umfangreichen, retrospektiv komponierten, dreieinhalb Stunden dauernden Abend dramatisch belehrt, ehrlich und manchmal auch wirkungsvoll (letztes Gespräch der vereinsamten Rivalen in einem windigen Flachland) simuliert, doch ohne persönlichere Regieinterpretierung des Ganzes – falls wir sie z.B. in zwei sich verzerrenden Narren nicht sehen, welche mit immer größerem Stereotyp eine Reihe von Episodengestalten verbinden. Der Hauptbeitrag dieser Einstudierung beruht also in soliden, manchmal sogar überdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen. Zusammen mit dem bewährten Viktor Skála (ironisierender französischer Herrscher Ludwig) genießt der Zuschauer auch die plastisch nicht eindeutigen Kreationen von beiden, sich gut verstehenden Theaterpreisträger – Petr Štěpán in der Gestalt des explosiven, launischen, doch intellektuell submissiven und sich durch Eifersucht verzehrenden Heinrich und Petr Gazdík als introvertierter, starker doch durch ein schwierigen Entwicklungsbogen durchgehender Titelheld. 
                                                                         

Jean Anouilh: Becket oder die Ehre Gottes

David Kroča 1. Juni 2010 zdroj Tschechischer Rundfunk 3 - Vltava

Auch wenn von der ersten Aufführung des Stücks von Jean Anouilh schon mehr als ein Halbjahrhundert verging, seine ständige Aktualität ist in Frage nicht zu stellen. Das Thema der politischen Intrigen, Bestechungsaffären und des gewinnsüchtigen Vernehmens ist für die Zuschauer immer dankbar, denn es durch die attraktive Geschichte über das Schicksaltreffen von zwei großen Gestalten der englischen Geschichte – König Heinrich II. und zukünftiger Heiliger Thomas Becket - vermittelt wird.


Der gastierende slowenische Regisseur Janez Starina konzentriert sich in seiner Inszenierung vor allem auf die komplizierte und in ihrer Substanz intime Beziehung von zwei Männern, welche versuchen – jeder auf seine eigene Weise – sich im Leben zu realisieren. Er verfolgt vor allem die Entwicklung dieser Beziehung, welche auch andere zeitlose Themen schrittweise entdeckt. Am Anfang steht Becket an der Seite des Königs als sein Kanzler, aber auch als sein treuer Freund in Kneipereien und galanten Abenteuern. Nachdem er vom König auf den Posten des Erzbischofs eingesetzt ist, werden die ehemaligen Freunde zu verbohrten Feinden. Die Inszenierung erzählt auch darüber, wie kompliziert der Weg zu Erkennung von sich selbst sowie zu Entdeckung der eigenen Stelle im Leben manchmal ist.


Trotz ihrer Länge macht die Inszenierung großen Eindruck. Es ist vor allem dank den schauspielerischen Leistungen, unter denen die Darsteller der zwei Hauptprotagonisten dominieren. Petr Štěpán als Heinrich II. ist der Mann mit geradliniger Denkweise, der triebhaft handelt, weil er die Macht aber keine entsprechende Ausbildung oder Noblesse hat. Er bestraft Becket, auch wenn ihn immer liebt, weil es ihm seine verletzte Eitelkeit befiehlt.  An Petr Štěpán gelang es auch, die Widersprüchlichkeit des Königs auszudrücken - aus seiner Seite handelt es sich um keine echte Freundschaft sondern um einen gewissen Typ der Kaprice oder Besessenheit. Eine andere mehrdeutige Figur wurde auch durch Petr Gazdík in der Gestalt von Becket dargestellt. Dieser toleriert zuerst die Launen seines Königs, aber als der Geistliche entdeckt er in sich natürliche Ruhe und Selbstkontrolle. Aus dem schwelgerischen Kumpan im Vergnügen wird schrittweise ein Asket, der die Ehre Gottes auch um den Preis seiner eigenen Zerstörung verteidigt.


Und es gibt hier noch ein Grund, wegen dem Becket in Brno besucht sein soll. Neben den schauspielerischen Kreationen sind es die effektvollen Bilder, die der Regisseur mittels sinnvoller Beleuchtung und vor allem mittels der Andeutungsszene ausbildet; diese wurde von einem der besten slowenischen Bühnenbildnern Jože Logar entworfen. Wenn sich die beiden Protagonisten zum letzten Mal treffen, sind ihre Körper vom frostkalten Nebel umschlossen, und wenn sich Becket am Ende des zweiten Akts zum Gastmahl mit eingeladenen Armen sitzt, erinnert es an das Gemälde des letzten Abendmahls von Jesus und seinen Lehrlingen. Die Inszenierung bekommt so die Punze eines effektvollen Spektakels, was im gegenwärtigen Theater keine Selbstverständlichkeit ist.
                                                                 

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