DER MEDICUS

DER MEDICUS

  • Genre Musical
  • Bühne Musikbűhne
  • Premiere22. Oktober 2022
  • Vorstellungsdauer3:15 hod.
  • Anzahl der Wiederaufführungen37
  • Preis 670 - 720 Kč

Musical nach dem gleichnamigen Bestseller von Noah Gordon

Im November 2021 verstarb im Alter von 95 Jahren der amerikanische Schriftsteller Noah Gordon. Einen festen Platz in der Geschichte der Weltliteratur sicherte er sich vor allem mit seiner Trilogie Familie Cole, die in sehr detaillierter und kenntnisreicher Weise die Geschichte der Medizin skizziert. Am bekanntesten ist wohl gleich der erste Teil, der Roman Der Medicus aus dem Jahr 1987 (als freie Fortsetzung folgten 1992 Der Schamane und 1995 Die Erben des Medicus). Nach Der Medicus wurde im Jahr 2013 auch ein weltweit erfolgreicher deutscher Film mit Tom Payne und Ben Kingsley in den Hauptrollen gedreht.

         Die Titelfigur der außergewöhnlichen Romanhandlung ist Rob Cole, ein junger christlicher Engländer, der es unter den schwierigen Bedingungen des 11. Jahrhunderts schafft, eine Reise durch ganz Europa bis ins persische Isfahan zu unternehmen, um dort die Heilkunst zu studieren. Triebfeder für diese ungewöhnliche Entscheidung sind für ihn Erfahrungen aus seiner frühen Kindheit, als er wegen mangelnder Kenntnisse des menschlichen Körpers seine Mutter und weitere nahestehende Personen verliert. Zunächst geht er bei einem Bader in die Lehre, der ihn in seine primitiven Heilmethoden einweiht, durch den er jedoch bald zu der Überzeugung gelangt, dass es wichtiger als das Geldverdienen ist, das wirkliche medizinische Handwerk zu lernen. Auf seiner langen und gefährlichen Reise, bei der er sich in einer feindlichen Umgebung als Jude ausgeben muss, findet er nicht nur die gesuchte Bildung, sondern auch die Liebe seines Lebens.

Das Buch inspirierte ein spanisches Autorenteam, welches im Jahr 2018 am Theater Nuevo Apolo in Madrid das Musical El Médico auf die Bühne brachte. Die Idee, das Sujet für das Musiktheater zu adaptieren, hatte der Komponist Iván Macías, der zusammen mit dem Produzenten Pablo Martínez Michael Gordon, den Sohn und Agenten des Schriftstellers, kontaktierte. Der war bereits von den ersten Musikproben so begeistert, dass er beschloss, die Autoren direkt mit seinem Vater zusammenzubringen. Auch diesen vermochte Macías’ Musik sofort zu überzeugen, so dass er seine Zustimmung zur Musicalbearbeitung seines Romans gab. Das Musical wurde in Spanien sofort zu einem Hit, und wir freuen uns, es nunmehr unserem Publikum als tschechische Premiere präsentieren zu können.

Autor

  • Noah Gordon
  • Félix Amador
  • Iván Macías

Übersetzung

Dramaturg

Musikeinstudierung

Chorleiter

Korrepetition

Choreographie

Choreographieassistent

Umělecký záznam a střih představení

  • Dalibor Černák

Sound supervision

  • Andreas Bruell

Produktion

  • Zdeněk Helbich

Bearbeitung

  • Stanislav Moša

Klavírní výtah

  • Dan Kalousek

Licht

  • David Kachlíř

Sound Direction

  • Filip Barák

Pyrotechnické efekty

  • Iveta Černá

Projektion

  • Petr Hloušek

Asistentka režie pro dětské role

  • Lucie Bergerová

Poster

  • Tino Kratochvil, Petr Hloušek

Rob Cole (dospělý)

Rob Cole (chlapec), Rob James Cole (syn Roba Coleho), 10 let

Agnes Coleová, Robova matka

Quandrasseh, vezír

Karim, student lékařství

Mirdin, student lékařství (Žid)

Edgar Thorpe (slepec), Nemocný I.

Merlin, židovský lékař

Wiliam Cole, chlapec 6 let

Dawwid, syn Mirdina

Anne Mary Coleová (děvče, 4 roky), Holčička

Bukerel (cechmistr), Nemocný II.

Pekařka Haverhillová, Služebná s knírkem, Madame, Měšťanka I., Židovka I., Žena s džbánem, Tanečnice I., Nakažená morem I., Ošetřovatelka I.

Paní Alwynová, Mlékařka, Editha, Londýňanka I., Měšťanka II., Židovka II., Trhovkyně I., Tanečnice II., Nakažená morem II., Ardis

Kořenářka, Prostitutka II., Měšťanka III., Židovka III., Trhovkyně II., Tanečnice III., Nakažená morem III., Ošetřovatelka II.

Prodavačka ryb, Dívka na vdávání, Londýňanka II., Krásné děvče, Židovka IV., Muslimka I., Tanečnice IV., Nakažená morem IV.

Prostitutka I., Amelie Simpsonová, Měšťanka IV., Židovka V., Muslimka II., Tanečnice V., Nakažená morem V., Matka

Zelinářka, Paní Titeová, Žena I., Londýňanka III., Měšťanka V., Farah (Mirdinova žena), Židovka VI., Muslimka III., Tanečnice VI., Nakažená morem VI.

Prodavačka látek, Květinářka, Londýňanka IV., Emma Thorpeová, Židovka VII., Muslimka IV., Tanečnice VII., Nakažená morem VII., Děvče na ulici

Prodavač koření, Watson (pacient), Londýňan I., Měšťan I., Fritta (vůdce karavany), Voják I., Student I., Nakažený morem I., Žid I.

Farář Lowell, Opilec, Námořník II., Měšťan II., Tuveh (Žid), Voják II., Student II., Nakažený morem II., Žid II., Mulláh II.

Pekař Haverhill, Kejklíř, Londýňan II., Měšťan III., Meir (Žid), Zloděj, Voják III., Student III., Nakažený morem III., Žid III., Mulláh III.

Hrnčíř, Muž s kašlem, Londýňan III., Měšťan IV., Simón (Žid), Muslim, Voják IV., Student IV., Nakažený morem IV., Žid IV., Mulláh IV.

Řezník Alwyn, Přítel opilce, Námořník I., Měšťan V., Tuarég I., Kuplíř, Otrok I., Student V., Nakažený morem V., Žid V., Mulláh V.

Zelinář, Muž se zubem, Londýňan IV., Měšťan VI., Tuarég II., Otrok II., Student VI., Nakažený morem VI., Žid VI., Mulláh VI., Prodavač koberců

Tesař Tite, Londýňan V., Správce města, Poutník (Žid), Prodavač zlata, Vězeň, Student VII., Nakažený morem VII., Žid VII., Mulláh I.

Der Medicus: mit Gabe und Begabung

Josef Meszáros 31. Oktober 2022 zdroj www.scena.cz

Das Stadttheater Brno führt seit dem 22. Oktober 2022 als tschechische Premiere das Musical Der Medicus nach dem gleichnamigen Bestseller von Noah Gordon auf. Bei diesem außergewöhnlichen Anlass waren auch die Autoren anwesend: Iván Macías (Musik und Szenario) und Félix Amador (Songtexte und Szenario). Regisseur Stanislav Moša führte in seinem Geleitwort zu der Vorstellung aus, dass er das Musical erstmals im Januar dieses Jahres in Madrid gesehen habe. Die Autoren hätten sich anschließend im Stadttheater Brno das Musical Schneewittchen und ich angesehen und seien von dieser Inszenierung begeistert gewesen. Dies habe zu ihrem Urteil geführt, dass das Stadttheater Brno die geeignete Bühne für die Aufführung der ersten Einstudierung ihres Stücks außerhalb von Spanien sei.[…]

Der Komponist Iván Macías wartet mit einer Musik auf, die gerade aus den Archetypen der verschiedenen Religionen und Kulturen hervorgeht. Interessant ist, dass er im Unterschied zu anderen Musicals gerade die Blasinstrumente betont, so etwa Trompeten, Flöten, Klarinetten oder Posaunen. Selbstverständlich hören wir daneben auch Klavier und Streicher. Seine Musik bietet nicht nur die passende Untermalung des Aufenthalts in der Wüste oder der Audienz beim Schah, sondern steigert sich sehr markant vor allem in den Schlusssequenzen des Musicals.

Regisseur Stanislav Moša, ein Matador des Musicals, hat wieder einmal gezeigt, dass seine beste Beute in Tschechien unbekannte Musicals sind, die er hier dann als Erster auf die Bühne bringt, wie dies auch schon bei The Last Ship der Fall war. Damit hängt auch die Auswahl der Sänger und Schauspieler und die ausgezeichnete Arbeit mit der Tanzkompanie zusammen. Diese hat hier ganz unterschiedliche Möglichkeiten, ihr Können zu zeigen: als verarmte englische Handwerker, in der Suite des Schahs, als Begleitung bei der Durchquerung der Wüste oder als Araber auf dem Basar. Auch bei den kleinsten Auftritten geben alle Akteure ihr Bestes und tragen mit ihren Leistungen zum Gelingen des gesamten Stückes bei. Als Regisseur führt Moša hervorragend die einzelnen Protagonisten, vor allem bei den verschiedenen Themen, die er ihnen anbietet, so etwa bei der Frage der Macht, der Einhaltung von Regeln und Traditionen, der Begierde nach Wissen oder beim Thema Verrat und Verschwörung.

Das Bühnenbild von Christoph Weyers ist wieder einmal eine künstlerische Meisterleistung. Seine Arbeit mit den Projektionen aus dem Atelier von Petr Hloušek ist ausgezeichnet. Vor allem sind bei den Projektionen die einheitlichen Raster hervorzuheben, also die Handschrift der jeweiligen Sequenzen. Weyers brilliert bei der Gestaltung großer Szenen (z. B. der Saal des Schahs), doch achtet er auch auf kleinste Details – so etwa die Netze zur Befestigung der Koffer am Wagen des Baders oder die Kräutervegetation auf der Bühne. An den gewählten Farben und Formen gibt es wie üblich nichts auszusetzen.

Die Kostümbildnerin Andrea Kučerová zeigt sich allen Kulturen gewachsen – das englische Landvolk wirkt ebenso überzeugend wie die Tänzerinnen des Schahs oder das Kostüm des Schahs selbst, perfekt wirken auch Avicenna oder der Hauptheld Rob Cole. Die Materialien entsprechen stets der jeweiligen Stellung in der Gesellschaft. Erwähnenswert sind etwa die spitzen Schuhe des Schahs oder die Accessoires des Baders wie zum Beispiel Holzperlen oder ein indianisches Amulett.

Damit kommen wir zu den Leistungen der einzelnen Akteure. Der Darsteller des erwachsenen Rob Cole, Libor Matouš, ist ein junger Mann voller Energie. Dem Publikum vermittelt er die unerschöpfliche Kraft des Strebens nach Wissen und Sorgfalt, aber auch eine gewisse Unbeholfenheit beim Aufbau seiner künftigen Beziehung. Er ist der Typ, der durch die Tür hinausgeworfen wird und durchs Fenster wieder hereinkommt. Durch seine Mimik kann er tiefe Freude über neues Wissen ausdrücken, aber auch über private Erfolge, wenn er die Beziehung zu seiner künftigen Ehefrau Mary vertieft. Als Zuschauer weiß man vor allem seine Ehrlichkeit und Offenheit zu schätzen, wenn er in verschiedenen Situationen seinen Nächsten die Wahrheit über sich und seinen Glauben offenbart.

Kristýna Daňhelová stellt eine tief gläubige, praktizierende Christin dar. Einerseits mag sie ihren Vater Cullen (Viktor Skála), der ein glühender Christ ist. In seiner Verblendung ist er jedoch nicht in der Lage, einen anderen Glauben zu tolerieren, auch dann nicht, wenn Rob ihn behandelt und gesundpflegt. Die Fäden des Schicksals reißen Mary und Rob auseinander. Erst in einer zugespitzten Lage, als überall die Pest wütet, begegnen sie einander, um gemeinsam als Mann und Frau ihr Schicksal zu teilen. Ihre Ehe wird auf eine große Probe gestellt, als sich auch Mary als Jüdin ausgeben muss. Kristýna Daňhelová tritt als pflichtbewusste und treue Ehegattin auf, die sich für andere aufopfert. Sie versucht zu helfen und nach den Geboten der Heiligen Schrift zu leben. Schließlich hat sie ihre größte Prüfung zu bestehen, als der Schah (Dušan Vitázek) wegen ihrer rotblonden Haare ein Auge auf sie wirft. Der Schah und Avicenna sind beide Repräsentanten der Macht – der eine durch seine Stellung als Herrscher, der andere durch die Kraft des Wissens. Dušan Vitázek besticht in seinen Soloauftritten durch seine offene und reich gefärbte Stimme bis an die Grenzen des Operngesangs, was vom Publikum mit großem Applaus gewürdigt wird. Sein Auftreten in der Rolle des unumschränkten Herrschers ist zweischneidig. Er kann grausam sein und weiß warum, daneben jedoch bietet er vor allem Rob die große Chance, in seinem Land zu studieren – im Gegenzug für Kenntnisse über den Westen.

Avicenna, gespielt von Ladislav Kolář, kann nicht nur mit reichen wissenschaftlichen Erfahrungen, sondern vor allem mit Lebenserfahrung aufwarten. Er versucht, lenkend auf Cole einzuwirken, vor allem beim Gespräch mit dem Schah. Im Falle Marys und ihrer „Audienz“ beim Schah ist er sich wohlbewusst, dass es fatal wäre, den Herrscher zurückzuweisen, weshalb er eine Taktik wählt, die Cole nicht schmerzen soll. Bei Ladislav Kolář ist wiederum die herrliche Färbung seiner Bassstimme hervorzuheben. Er versprüht geradezu Weisheit und Empathie.

Dritte Machtfigur ist der Wesir Qandrasseh, der von Jiří Horký gespielt wird. Er verfügt über keine absolute Macht, doch versteht er es gut, mit dem Schicksal anderer zu spielen. Er verkörpert einerseits die Rolle des servilen Dieners und Kenners des Protokolls, insbesondere wenn es darum geht, anderen den Zugang zum Schah zu verwehren. Schließlich offenbart er sich jedoch als bösartiges Individuum, welches rasch seine vorgetäuschte Loyalität über Bord wirft und sich an die Spitze des Aufstands gegen den Schah stellt. Seine negative Haltung gegenüber den bestehenden Werten ist überaus glaubwürdig.

Gerissen, bösartig, streitsüchtig oder lebenserfahren? Alle diese Attribute passen für die Gestalt des Baders Croft, wie er von Stanislav Slovák verkörpert wird. Und dazu müssen wir hinzufügen, dass er in dem Moment, als er sich des kleinen Rob Cole annimmt, auch gutherzig ist. Stanislav Slovák genießt alle Charakterzüge seiner Figur, vor allem die Umsicht, wenn er stets rechtzeitig ahnt, wann er verschwinden muss, um seinen Besitz und sein Gewerbe zu retten. Er stellt jenen Menschentyp dar, der das Leben genießt, mit der Fähigkeit gesegnet ist, anderen zu helfen, und sich das gleichzeitig gut bezahlen lässt. Wer ist der Dümmere? Der, der gibt, oder jener, der nimmt?

Mit dem Musical Der Medicus bietet das Stadttheater Brno wieder einmal ganz großes Kino. Die Leistungen aller Beteiligten, Ausstattung, Musik und auch das Sujet an sich sind sehr stark. Regisseur Stanislav Moša hat wieder einmal gezeigt, dass er mit Kunst heilen kann, dass er große und weite Themen beherrscht, aber gleichzeitig auch alles auf kleinen Geschichten aufbauen kann. Und ähnlich wie Rob Cole hat auch Stanislav Moša seine Fähigkeiten in die Wiege gelegt bekommen. Womit das Publikum sich nicht scheuen muss, sich zur Musikbühne aufzumachen.

Občasník Jaroslava Štěpaníka (Nr. 49)

Jaroslav Štěpaník 29. Oktober 2022 zdroj www.divadelninoviny.cz

[…] Die Idee zur Adaption des Titels für das Musiktheater kam aus Spanien, Sie geht zurück auf den Komponisten (und Autor der Musik zu dem Werk) Iván Macías (1982), welcher Michael Gordon, den Sohn und gleichzeitig Agenten des Schriftstellers, kontaktierte. Dieser war von den Musikbeispielen begeistert und arrangierte eine Begegnung direkt mit seinem Vater. Im Jahr 2018 erlebte dann das Musical El Médico am Theater Nuevo Apolo in Madrid seine Uraufführung. Das Libretto zu der Inszenierung, die in Spanien auf enorme Resonanz stieß und mit einer Reihe von Auszeichnungen bedacht wurde, schrieb Félix Amador (1965).

Im Jahr 2021 erfuhr der Direktor des Stadttheaters Brno Stanislav Moša von der erfolgreichen Madrider Inszenierung. Da die Buchvorlage zu seinen Lieblingswerken zählt und er auch die Verfilmung kannte, konnte er sich auf die positiven Kritiken verlassen. Er lud die Autoren und Produzenten zu einem Gespräch nach Brno ein, wo sie auch eine der Inszenierungen des Stadttheaters zu sehen bekamen. Darauf folge eine Reise nach Madrid, wo die Realisierung in Brno einschließlich des Datums der Premiere am 22. Oktober 2022 vereinbart wurde. Diese fand nun wie geplant statt, wobei zur besonders feierlichen Atmosphäre auch die Anwesenheit der geschätzten Gäste aus Spanien beitrug.

Ich bin glücklich, dass an unserem Theater die allererste Aufführung außerhalb der Grenzen jenes Landes stattfindet, wo dieses in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Musical seine Uraufführung hatte, drückte Stanislav Moša im Geleitwort zum Programmheft der Inszenierung seine Bewunderung aus. Wir können nur zustimmen, wenn er die Stärke des Sujets und die mitreißende Musik würdigt und die zwei wichtigsten Momente für eine sinnstiftende menschliche Existenz hervorhebt, wie sie das Stück thematisiert: ein Leben in Liebe und Selbstbildung und gleichzeitig auch die Botschaft von der Bedeutung des menschlichen Zusammenhalts.[…]

Einer der besonders herausragenden Chorauftritte des Musicals ist das mitreißende „ei-di-di-di-dei“. Die schöne, melodische, eingängige Melodie von der Wanderung der Juden geht über in einen perkussiven, rhythmischen, geradezu faszinierenden Chorgesang.

Die Handlung des Stücks geht aus der ausgezeichneten Buchvorlage hervor – und stützt sich auf ein brillantes Libretto. Den sechshundertseitigen Roman in ein rund dreistündiges Musikdrama zu transformieren, war sicher keine leichte Arbeit. Dennoch wechselt die Handlung wie mit Hilfe von Filmschnitten in raschem Tempo von einem Bild zum nächsten. Und die Basis bildet die mitreißende Musik. Das gesprochene Wort ist im gesamten Stück kaum vertreten, nicht nur dadurch nähert sich das dramatische Werk eher einer Oper an. (So ist es sicher kein Zufall, dass die spanischen Inszenatoren die Rollen an Opernsänger vergaben.)

Das Stadttheater Brno kann auf dem Gebiet des Musiktheaters auf eine Reihe bemerkenswerter Produktionen zurückblicken. Der Medicus ist zweifellos eine davon. Gleichzeitig fällt dieses Stück irgendwie aus der Reihe, wohl durch eine gewisse Andersartigkeit, die auch durch das Ursprungsland bedingt ist. Das Brünner Publikum ist gleichsam ein Fanklub seines Theaters, es geizt nie mit Applaus und gibt auch im Verlauf der Vorstellungen in verschiedenster Weise seiner Zufriedenheit Ausdruck. Das war auch diesmal nicht anders, dennoch hatte ich das Gefühl, dass die Reaktionen etwas verhaltener waren. Dabei bin ich überzeugt, dass die Inszenierung das Publikum für sich gewinnen konnte, es in die Handlung und die kraftvolle Musik hineinzog. Vielleicht wirkte hier ein komplexes Theatererlebnis von geradezu faszinierender Kraft.

Die Musikbühne bereitete die Premiere unter dem vollen Einsatz ihres Realisierungsteams und ihrer Schauspieler vor. Die Statistik könnte in der quantitativen Sprache der Zahlen davon künden, dass für das gemeinsame Ziel, der großen Vorlage rundum gerecht zu werden, sämtliche Mittel des Theaters in rekordverdächtigem Umfang mobilisiert wurden. Auf der Bühne treten 32 Akteure auf, viele davon in mehreren Rollen, und für alle Rollen gibt es mehrere Besetzungen. Die Zuschauer konnten sie in insgesamt dreihundert aufwendigen Kostümen bewundern, welche entsprechend ihrer Epoche und Herkunft aus den verschiedensten Materialien geschneidert wurden. Das ausgezeichnet spielende Live-Orchester unter der Leitung von Dan Kalousek zählte 27 Musiker. Das Brünner Publikum hat wohl schon lange kein so herrliches, farbenprächtiges und strahlendes Bühnenbild mehr gesehen, wie es diesmal von Christoph Weyers unter der tatkräftigen Mithilfe weiterer Realisatoren geschaffen wurde. Als Zuschauer fühlte man sich geradezu, als wäre man selbst zu Besuch im prunkvollen Palast des Schahs, wo unter anderem ein riesiges Schachbrett die Blicke auf sich zog, auf dem Tänzerinnen nach den Anweisungen des Herrschers graziös die großen Figuren bewegten. Die Anteilnahme an der Reise des Haupthelden zu seinem erträumten edlen Ziel hielt das Publikum vom Anfang bis zum Ende gefangen, es gab wohl nicht eine einzige Stelle, an der die Handlung schleppend verlaufen wäre. Die Aufführung war gleichzeitig ein Schau-Spiel im besten Sinne.

Es fällt nicht leicht, einzelne Akteure lobend hervorzuheben, da ohne Übertreibung auch in den „kleinen“ Rollen alle hervorragende Leistungen bei vollem Einsatz geboten haben. Den meisten Applaus erhielten selbstverständlich und verdientermaßen die Darsteller der Hauptfiguren. Rob im Kindesalter wurde von Gabriela Čtveráčková schön gespielt und mit angenehmer, klarer Stimme gesungen. Mit ihren gesanglichen Leistungen, ihrem Timbre und ihrer Stimmfärbung gewannen das Publikum für sich zweifellos beide Darsteller des zentralen Paares, welches auf dem Weg durch die Wüste zueinander fand und sich nach dem Abschied erneut begegnete, um den weiteren Weg gemeinsam zu gehen. In der umfangreichen Rolle des Medicus konnte Libor Matouš mit seinem anspruchsvollen Part begeistern und überzeugen. Seine weit von der Heimat gefundene lebenslange Liebe Mary wurde fein und einfühlsam von Kristýna Daňhelová gespielt. Stanislav Slovák passte die wichtige Rolle des eigenwilligen Baders Croft wie angegossen. Ladislav Kolář war exakt der besonnene und nachdenkliche Arzt, der auch in Grenzsituationen die Verantwortung für andere übernimmt – auch wenn es darum geht, von zwei Übeln das „kleinere“ zu wählen, wofür er keinen Dank erwarten kann. Als wahrer Philosoph verharrt Avicenna zusammen mit seinen Schülern würdevoll an seinem Platz und sieht stoisch dem sicheren Tod entgegen. Seinen Schüler Rob, nunmehr bereits als Medicus, schickt er rechtzeitig mit dem Auftrag, zu heilen und zu kurieren, zurück in seine Heimat. Der von Dušan Vitázek gespielte Schah ist die Verkörperung eines rücksichtslosen, seinen Launen gehorchenden Tyrannen und Genussmenschen. Als die Stadt durch die noch gefährlicheren dogmatischen Hüter des einzigen richtigen Glaubens und von Zucht und Ordnung belagert wird, kehrt er allzu spät zur ihm auferlegten Herrscherrolle zurück und geht mannhaft seinem eigenen Untergang entgegen. Klar vorgegebene Charaktere, wie sie unter den Schauspielern sicher beliebt sind, finden sich auch in den kleineren Rollen, was seinen unverkennbaren Einfluss auf das Gesamtergebnis hat.

Die Aufführung des aus Spanien stammenden Musicals Der Medicus am Stadttheater Brno ist ein außergewöhnliches Ereignis für das Musiktheater. Es steht zu erwarten, dass es nicht nur beim Publikum, sondern auch bei allen, die für das Genre tieferes Interesse hegen oder professionell involviert sind, auf große Resonanz stoßen wird. Dem Theaterdirektor und Regisseur Stanislav Moša gebührt unser Glückwunsch dafür, ein außergewöhnliches Musical nach Brno, nach Tschechien gebracht zu haben und damit gleichzeitig weitere europäische Bühnen zu inspirieren. Empfänglich für den Geist eines ihm nahestehenden Werkes, hat er es als Regisseur geschafft, alle Elemente des Musikdramas zu einem organischen, kompakten, emotional wirkungsvollen Ganzen, zu einem starken Erlebnis zu verbinden.

Der Medicus: die Kraft des Wissens, der Medizin, der Liebe und des Musicals

Luboš Mareček 24. Oktober 2022 zdroj www.mestohudby.cz

Das Stadttheater Brno hat auf seiner Musikbühne als tschechische Premiere das Musical Der Medicus der spanischen Autoren Iván Macías und Félix Amador aufgeführt. Regisseur Stanislav Moša setzte dem Publikum ein modernes Werk vor, das in vielerlei Hinsicht das Attribut „groß“ verdient. Hier wird weder bei der Musik noch bei der Zahl der Akteure oder bei der Ausstattung gespart. Das bombastische Ergebnis überdeckte zum Glück nicht das Grundthema dieses ambitiösen, musikalisch wie künstlerisch großartigen Stücks – die Kraft des Wissens und der Liebe.[…]

Ein herausragendes Erlebnis ist schon allein Macías’ Musik, die reich an großartigen Klangflächen, aber auch an mehrstimmigen Gesangsparts ist. So singen nach den erwarteten Liebesduetten etwa an einer Stelle sieben Personen effektvoll gegeneinander an. Anderswo wird zur Live-Musik geradezu singend gesprochen. Der Autor setzt in unaufdringlicher Weise Anspielungen an alte jüdische und orientalische Musik ein, am Ende jedoch steht eine selbstbewusste musikalische Form, die sich hinter keiner ethnohistorischen klanglichen Reminiszenz versteckt. Wenn man nun noch das Orchester mit seinen fast dreißig Musikern hinzuzählt, die es unter der ausgezeichneten Leitung des Dirigenten Dan Kalousek schaffen, einen satten und wirklich effektvollen symphonischen Klang zu erzeugen, dann wird klar, dass man hier Zeuge einer musikalisch wie klanglich kolossalen Schau ist.

Seinen Beitrag zur Steigerung des Zuschauererlebnisses leistet auch das Bühnenbild von Christoph Weyers, welches seinen Höhepunkt logischerweise bei den Szenen aus dem Palast des Schahs erreicht, der mit zwei großen goldenen Sphingen, dem Dekor persischer Teppiche und Beleuchtung in Pastelltönen aufwarten kann. In Zusammenarbeit mit dem Autor der Projektionen Petr Hloušek schafft der Szenograf durch die Kombination echter Kulissen mit perforierten Dekoren den gewünschten 3D-Effekt, verleiht der Bühne mehr Tiefe und schafft damit auch Raum für die Imagination des Publikums. Ein großes Plus des Abends ist die Beleuchtung. Die (abgesehen von den Szenen im Palast des Schahs) schlichten, farblich nüchternen und funktionellen zeitgenössischen Kostüme sind das Werk von Andrea Kučerová. Wie anspruchsvoll deren Aufgabe war, ergibt sich schon allein daraus, dass sich auf der Bühne mehr als sechzig Akteure abwechseln. Stellenweise mit einem gewissen Pathos kommen die Songtexte und die Übersetzung von Zuzana Čtveráčková daher.

Regisseur Stanislav Moša bewies in dem Musical sein Geschick als Organisator derartiger Inszenierungen. Es darf nunmehr gewürdigt werden, dass er das rechte Maß zwischen der Grandiosität der Musik, des Wortes und auch der visuellen Seite gefunden hat. Die einzelnen Elemente weiß er auf der Bühne geschickt auszubalancieren, ohne mit ihnen die oben beschriebenen dramatischen Schwerpunkte zu überdecken. Mošas Regie bewegt sich im Bereich intelligenter, moderater Unterhaltung, das Ergebnis ist eine opulente Schau für alle Sinne mit einer Botschaft als Bonus, die nicht durch billiges Musical-Gewusel verschleiert wird. Eher negativ mag manchem die Länge des Stückes von dreieinhalb Stunden erscheinen, positiv ist jedoch zu vermerken, dass die Inszenierung keine größeren ereignislosen Stellen hat, die das Gefühl der Überlänge verstärken würden.

Der Regisseur hat auch hervorragende Darsteller insbesondere für die Hauptrollen gefunden. Libor Matouš ist die Rolle des erwachsenen Rob Cole geradezu auf den Leib geschneidert, der junge Akteur vermeidet kitschige Anbiederung, und sein Gesang ist ein Erlebnis. Ähnliches kann zu Kristýna Daňhelová als seiner rotblonden Liebe Mary gesagt werden. Auch Dušan Vitázek in der Rolle des Schahs glänzte bei der Premiere bis auf wenige Augenblick in den höchsten Lagen. Den Bader Croft spielte Stanislav Slovák mit vollem Einsatz und bravourösem gesanglichem und schauspielerischem Ausdruck. Den Knaben Rob verkörperte Gabriela Čtveráčková gewissenhaft mit jener Art von Bestimmtheit, die ihr eine sichere und glaubwürdige Existenz auf der Bühne ermöglicht. Eine wirkliche Freude waren die Barden wie Ladislav Kolář und Jiří Horký, die eindrucksvoll bewiesen, dass diese Art des Musiktheaters nicht „nur für die Jungen“ ist… Beim Medicus alternieren in Brno traditionell verschiedene Darsteller, und bei der ersten Premiere kamen verdientermaßen die dienstälteren zum Zuge.

Das Brünner Musical Der Medicus ist eine gelungene Musikinszenierung, ein interessanter dramaturgischer Import, ein von der Regie nicht überfrachtetes und schauspielerisch suggestives Stück.[…]

Ein Musical nach dem Buchbestseller Der Medicus

Peter Stoličný 22. Oktober 2022 zdroj www.i-divadlo.cz

Der amerikanische Schriftsteller Noah Gordon (2021 im Alter von 95 Jahren verstorben) ist weltbekannt als Autor von Erzählungen zur Geschichte der Medizin. Bleibenden Ruhm erwarb er sich vor allem mit seinem ersten Roman zu diesem Thema: Der Medicus. Nach diesem Buch wurde ein Film gedreht, und es diente auch den spanischen Autoren Félix Amador und Iván Macías als Inspiration, die im Jahr 2018 am Theater Nuevo Apolo in Madrid die Premiere ihres Musicals El Médico feiern konnten.[…]

In dem Musical fand der junge Rob Cole auf seiner gefährlichen Bildungsreise, auf der er sich in einer feindseligen Umgebung als Jude ausgeben musste, schließlich nicht nur die erhoffte medizinische Bildung, sondern auch die Liebe seines Lebens. Und dieser aus dem ursprünglichen Volksbuch hervorgegangene Medicus wurde zum Ausgangspunkt für ein erfolgreiches spanisches Theaterstück. Er war das ideale Material für ein romantisches Musical. Die Autoren begriffen ganz richtig, dass sich hier ein einfacher Plot mit einer „Wandergeschichte“ verbindet, die mit dem Wiederfinden der großen Liebe enden muss. Doch bei dem Musical wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Sie reicherten das Stück mit einer Vielzahl weiterer Personen an, füllten die Bühne, und dem entspricht auch die Inszenierungsabsicht des Musicals: sie schufen mit poetischen Texten und Musik ein Werk voller Chorgesang (Chorleiter ist bei uns Dan Kalousek), welches auch den Vergleich mit Aida nicht zu scheuen braucht. Dem entsprechen auch die reiche Instrumentierung des Orchesters (Dirigenten Dan Kalousek und František Šterbák) und die zu einem Musical gehörende Choreografie (Michal Matěj). So entstand ein rundum vollwertiges Stück. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Solisten. Größte Knacknuss sind in diesem Musical die stimmlich wie schauspielerisch anspruchsvollen Kinderrollen. Beim Stadttheater Brno weiß man sich jedoch zu helfen. So mancher Solist hat eigene Kinder, die sich zur Besetzung anbieten. In der Rolle des zehnjährigen Rob Cole treten alternierend Gabriela Čtveráčková (deren Mutter Dramaturgin und Übersetzerin beim Stadttheater ist) und Kryštof Helbich (dessen Vater hier als Produktionsleiter wirkt) auf. Zu nennen wäre auch Esther Mertová (deren Vater als Komponist dauerhaft mit dem Stadttheater zusammenarbeitet) als Mary, und wir könnten die Aufzählung noch weiter fortsetzen. Es sind einfach viele Äpfel nicht weit vom Stamm gefallen – und das ist gut so, macht es sich doch bei den schauspielerischen und gesanglichen Fertigkeiten des Nachwuchses bemerkbar. Dass die erwachsenen Protagonisten alles ausgezeichnet spielen, braucht gar nicht weiter hervorgehoben zu werden. Es ist gar nicht möglich, sie alle einzeln zu würdigen. Die Solisten des Stadttheaters Brno sind wirklich Profis. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit sie mit Proben zubringen, aber es dürfte nicht wenig sein. Ihr Gesang und ihre Bewegungen auf der Bühne zeugen davon.

Das Stadttheater Brno hat somit ein weiteres Musical, bei dem man getrost von „großem Kino“ sprechen kann. Und es ist ein wirklich gelungenes Kino.

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